Richtig streiten will gelernt sein
- Jürgen Dostal
- 22. März
- 3 Min. Lesezeit
Eine gute Konfliktbewältigung im Job sei keine angeborene Fähigkeit,
sondern eine erlernbare Fertigkeit, sagt der Konfliktexperte Jürgen Dostal. (Tiroler Tageszeitung, 15. März 2025)

Wie streitet man im Job richtig?
Jürgen Dostal:
Die eigentliche Frage lautet: Darf in Ihrem Unternehmen überhaupt gestritten werden? Unsere Studie mit über 300 Unternehmen ergab: 30 % der Manager sehen kaum Konflikte in ihrem Unternehmen und 2/3 der Führungskräfte fühlen sich in der Konfliktbewältigung überfordert. Ein professionelles Streitmanagement setzt voraus, dass Konflikte als normal und produktiv angesehen werden. Unternehmen sollten sichere Räume schaffen, in denen Meinungsverschiedenheiten konstruktiv ausgetragen werden können, mit klaren Regeln
für einen fairen Umgang. Eine aktuelle Studie zeigt nämlich, dass ungelöste Konflikte am Arbeitsplatz zu Burnout führen können. Ungeklärter Streit verursacht Stillstand und damit Kosten.
Welche Chancen bietet ein Streit?
Dostal: Konflikte sind oft ein Motor für Veränderung und Innovation. Ich kenne einige Unternehmen, in denen Streitigkeiten in der Zusammenarbeit dazu geführt haben, veraltete Prozesse zu optimieren.
Was halten Sie von der Redewendung „eine Nacht darüber schlafen“?
Dostal: Davon halte ich viel. Allerdings hängt das schon auch vom Persönlichkeitstyp ab:
Wer spontan und impulsiv ist, sollte sich etwas Zeit nehmen. Mir persönlich hilft Folgendes:
Ich analysiere meine eigenen Gefühle und kann dann rationaler argumentieren. Bin ich
etwa verletzt oder in meinem Selbstwert getroffen, hilft mir die bewusste Reflexion, dies
sachlich anzusprechen.
Streitet man im Beruf anders als im Privaten?
Dostal: Ja, definitiv. Als Mediator erlebe ich, dass private Streitigkeiten oft emotionaler geführt werden als berufliche Konflikte. In privaten Auseinandersetzungen geht es häufig darum, Recht zu bekommen, während es im Job eher um Sachthemen geht. In privaten Konflikten haben sich Verletzungen oft schon viel zu lange angesammelt.
Wann sollte eine Führungskraft einbezogen werden und wie geht man diesbezüglich am besten vor?
Dostal: Da gibt es ein großes Problem: Viele Führungskräfte sind selbst Konfliktauslöser.
Wenn die Führungskraft selbst als Partei Stellung bezieht oder eigene Interessen verfolgt,
scheitert die Konfliktlösung. Daher gilt: Die Führungskraft sollte nur einbezogen werden, wenn sie neutral bleiben kann. In schwierigen Fällen ist eine externe Mediation sinnvoll. HR-Abteilungen sollten ein offenes Ohr für Konflikte in Teams haben und gegebenenfalls Führungskräfte darauf ansprechen.
Wie sollte man sich auf eine Aussprache vorbereiten?
Dostal: Dazu ein konkreter Tipp: die Perspektivenbrille aufsetzen. Manchmal sieht die Welt ganz anders aus, wenn man sie durch die Augen des anderen betrachtet. Das hilft dabei, Verständnis aufzubauen und Wege aus der Sackgasse zu finden. Das bedeutet, die Perspektive des Gegenübers ernst zu nehmen und nicht wegzuargumentieren. Jeder Mensch hat das Recht, seine eigene Sichtweise zu haben.
Viele haben Angst vor einem Streit und fühlen sich unsicher. Welche Tipps haben Sie?
Dostal: Stellen Sie sich die Frage: Warum gibt es diese Angst? Wohl auch deswegen, weil wir gelernt haben, dass unsere Mechanismen und Methoden in der Vergangenheit zu Eskalation und Verstärkung des Konflikts geführt haben. Wer sich schon öfter die Finger „verbrannt“ hat, scheut den nächsten Konflikt. Daher sollte man sich drei Fragen
stellen: 1. Ist mein Gegenüber gesprächsbereit? 2. Bin ich in der Lage, sachlich zu argumentieren? 3. Ist es ein guter Zeitpunkt? Nicht jeder Konflikt kann sofort gelöst werden,
aber jeder kann bewusst gesteuert werden. Konfliktbewältigung ist keine angeborene Fähigkeit, sondern eine erlernbare Fertigkeit. Es geht darum, Missverständnisse zu
erkennen, Emotionen zu steuern und offene Kommunikation zu fördern.
Das Gespräch führte Denise Neher
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