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AutorenbildJürgen Dostal

NEULICH beim Edelbäcker – eine Konfliktstory aus dem Alltag

Aktualisiert: 9. Juli

Können Sie sich noch daran erinnern, als Brot 🍞 wirklich nach Brot 🍞 schmeckte? Eine Frage, die Sie nur stellen können, wenn die gustatorische Erinnerung ihrer Zunge 😋 weit ins letzte Jahrhundert reicht. Meine Erinnerung ist jedenfalls so tief, dass ich bereit bin, bei Bäckern, die ohne chinesische Backmischungen arbeiten und eigen gezogenen Sauerteig nutzen, den Gegenwert von zwei Hugos oder 10 Milka-Tafeln für 1 kg Brot zu bezahlen. Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass wir als "Feinkostladen Europas 🇪🇺" qualitatives Brot nur bei Edelbäckern bekommen würden? Grundbedürfnisse rücken bei Knappheit in den Fokus. Wie auch der nach Toilettenpapier 🧻. Die Covid-19-Pandemie zeigte hier den Zusammenhang auf: Haben Sie noch die Bilder vor Augen? Einkaufswagen voller Toilettenpapier. Auch Germ 🧊 war nicht zu bekommen, da viele Österreicher beschlossen, selbst Brot zu backen, um den Überfluss an Freizeit zu bekämpfen. Nun, die neuen Edelbäcker greifen diese Grundbedürfnisse erfolgreich auf, wie eine Begebenheit an einem sonnigen Samstagvormittag in der Wiener Innenstadt zeigt:




Neulich beim Edelbäcker – Was überteuertes Brot und besetzte Toiletten gemein haben.
Neulich beim Edelbäcker – Was überteuertes Brot und besetzte Toiletten gemein haben.

Nachdem wir, meine Frau und ich, knapp 15 Minuten auf einen mikrokleinen Tisch im ebenso großen Schanigarten des bekannten Bäckers (Slogan „Brote mit Charakter“ 😂 ) gewartet haben, werden wir gesetzt (✋ wait to be seated). Da fühlt man sich doch gleich noch viel exklusiver und ist bereit für ein Brot mit Bio-Ei und frisch gezogener Kresse sowie etwas Avocado den Preis eines Mittagsmenüs hinzulegen. Kein Problem, die Sonne nähert sich ohnehin dem Zenit. Wir bleiben dann gerne etwas länger sitzen, bestellen noch einen zweiten Kaffee und genießen das Flair und Treiben der Menschen, was uns zu folgender Situation führt:


Unser Edelbäcker verfügt nicht nur über (wirkliches) Brot, sondern auch über die notwendigen (per Gewerbeordnung vorgeschriebenen) Toilettenanlagen. So wie ich davon ausgehe, dass er sein Brot bald in einer limitierten Edition in Kooperation mit der Marke Prada herausbringen wird, so elitär ist auch die Stätte des Bedürfnisses konzipiert. Ein Lounge-Bereich vor demselben gibt den Blick auf einen begrünten Innenhof frei und lädt zum Verweilen ein. Der Punkt ist nur, dass man in der Regel nicht kontemplativ innehalten, sondern zur unmittelbaren Umsetzung übergehen möchte. Was bei je einer Toilette nach alter Geschlechtereinteilung schon mal zu Engpässen führen kann.


Als meine Frau nach 10 Minuten noch immer nicht zurück ist, verlasse ich den Tisch nur deswegen nicht, weil bereits eine Horde von Touristen mit gierigen Blicken eine unfreundliche Übernahme anstrebt. 5 Minuten später kehrt sie dann doch zurück – um ein Erlebnis reicher. Wie bei Damen-Toiletten statistisch verifiziert, sind diese öfter besetzt als jene der Herren. Im gegenständlichen Fall überschreitet die Zeit der Okkupation aber bei weiten den üblichen Zeitraum, was bei den Wartenden schon mal (wirklich) Druck erzeugen kann, nach einer Alternativen Ausschau zu halten. Meine Frau versucht durch Anklopfen und Nachfragen auf die Bedürfnislage aufmerksam zu machen, doch weder olfaktorische Hinweise, noch auf Anorexie oder Liebesspiel deutende Geräusche geben Hinweis auf eine entwickelte Lebensform. Meine bessere Hälfte entscheidet sich kurzerhand in Ausnutzung dieses typisch männlichen Besitzanspruchs das Herren-WC zu besuchen. Dieser Mut zur Problemlösung beschert ihr beim Verlassen der Örtlichkeit den verwunderten Blick eines indischen Touristen (männlich) und die Erscheinung einer Dame unbestimmbaren Alters, die gerade die Damen-Toilette verlässt und dabei einen Schminkbeutel verschließt. Kann es sein, dass manche Frauen deswegen von einem nur „notdürftigen“ Make-up sprechen? Meine Frau, selbst gewissen Schönreitritualen nicht abgeneigt, verlangt in etwas verkürzter Form Erklärung: „Echt jetzt?“ ...


Die darauf folgende Form der Konfliktbewältigung erfährt aus meiner Sicht aktuell eine massive Zunahme: Die Dame reagiert GAR NICHT. Sie ignoriert die Frage, das Gegenüber, die Situation. Sie verlässt die Örtlichkeit ohne ein Wort. Ich unterstelle dabei nicht einmal bösen Willen, sondern den Mangel an Konfliktkompetenz. Darüber hinaus ist das eigene Bedürfnis so stark ausgeprägt, dass da einfach kein Platz für die Wahrnehmung anderer Menschen ist. Konflikte werden zwar verursacht, ihre Existenz aber verneint, weil Konfliktlösung unweigerlich zu Verhaltensänderung führen müsste. Da geht man und auch Frau schon lieber zur Tagesordnung über und bestellt sich im gepflegten Döblinger Wienerisch noch einen Cappuccino.


Kommen wir zu Bewertung der Konfliktsituation. Zumindest für eine Person (lassen wir mal den Inder aus der Betrachtung) kam es zu einer massiven Einschränkung, wobei durch das eigene aktive Handeln eine Lösung gefunden wurde. Per definitionem wäre also ein Konflikt gegeben. Allerdings muss man ins Treffen führen, dass dieser erst zum Konflikt wurde, als die Handlung der Beauty-Queen offenbar wurde.


Konflikt-Barometer

Das Konflikt-Barometer ist der nicht wissenschaftliche Versuch einer Bewertung von Konfliktsituationen. Es können je nach Ausprägung bis zu 3 Dynamitstangen bzw. Friedenstauben vergeben werden.


So belanglos diese Begebenheit auch erscheinen mag, so ist die Negierung von Bedürfnissen anderer Personen, die außerhalb des eigenen Handlungskreises liegen, ein ernstes Problem. Wir sehen es beispielsweise auch im eigenen Konsumverhalten, wenn wir z. B. in Bezug auf den Anbau von Kaffee-Bohnen oder der Herstellung von Modeartikeln die Situation der involvierten Menschen unbeachtet lassen.


Involvierte Personen: 🧨🧨🧨

Eskalation: 🧨

Relevanz: 🧨🧨🧨


Mögliche Empathie: 🕊️🕊️🕊️

Lösungsoptionen: 🕊️🕊️

Erzielbarer Kompromiss: 🕊️


Der Autor möchte mit dieser Serie die eigene Reflexion in Bezug auf Konflikte, wie sie im Alltag auftauchen, anregen. Er erlaubt sich nur in der Verarbeitung persönlicher Konflikte Mitteln der Satire.

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