Männer zeigen sich neuerdings kompetent beim Geschirrspülen und Wäschewaschen. Zumindest will uns das die Werbung vormachen. Gleichzeitig werden noch immer 72 % der Hausarbeit in Österreich von Frauen erledigt wird. Zumindest bei der Vermarktung von Klarspülmitteln ist das vormals starke Geschlecht am Vormarsch und kämpft um die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Es besteht also Hoffnung: Die neue Generation von Männern ebnet Frauen den Weg in eine helle Zukunft ... Warum ich als frisch gebackener Opa die Entwicklung des Gender-Gaps kritisch sehe, erfahren Sie hier:
Es trug sich erst letztes Wochenende zu: Eine Familie mit zwei Kindern, zwei Söhne 8 und 11 Jahre alt, ist zu Gast bei uns. Ich stehe mit dem älteren Sohn, nennen wir ihn hier Simon, in der Küche und will gerade etwas Ordnung schaffen. Simon fragt, ob er helfen kann. Ich bin beglückt über die Hilfsbereitschaft und stimme seinem Wunsch zu, den Geschirrspüler mit dem schmutzigen Kaffee-Geschirr zu befüllen. Der gute Wille des Jung-Mannes mündet unverhofft in einer klitzekleinen Wissenslücke – er stellt die Tassen mit der Öffnung nach oben in den Korb. Haben Sie das schon mal gesehen? Nach OBEN. Die Platzierung der Teller auf der unteren Spülebene gleicht einer expressionistischen Skulptur des Spätwerks von Julian Schnabel (googeln Sie mal Plate Painting). Fast hätte ich sie in Acryl gießen lassen. Ich vermute zunächst einen Scherz, gelange aber nach seiner Frage, wo denn das Besteck zu platzieren sei, zur Einsicht, dass Simon wohl noch nie einen Geschirrspüler ein- oder ausgeräumt hat. Was dieser mir freimütige bestätigt. Aus dem Burschen wird sicher mal etwas Großes (Quantenphysiker, Influencer oder Konzeptkünstler, wer weiß das schon), aber sicher keine brauchbare Haushaltshilfe.
Bitte glauben Sie jetzt nicht, dass Simons Familie über keinen Geschirrspüler verfügt. Die Küche besitzt jegliche Annehmlichkeit. Simon selbst ist durchaus talentiert: Er baut bereits Lego-Teile für die Altersstufe 18+ zusammen, aber in Bezug auf Haushaltstätigkeit ist er wohl etwas entwicklungsbedürftig. Woran das liegt, daran haben sich mittlerweile Heerscharen von Sozialpädagogen, Politiker und Schneewittchen in der Haushaltsführung der 7 Zwerge die Zähne ausgebissen:
Versuchen Sie mal, Eltern auf diesen oder ähnliche Umstände anzusprechen. In der Regel reagieren diese mit Zucken. Haben Sie das auch schon beobachtet? Entweder mit einem heftigen Zucken der Schultern oder mit Verzücken in der Stimme: „Er is halt a Bua.“ Meist kommt dieser Reflex von der Kindesmutter, die anderntags dem eigenen Mann noch nachgenörgelt hat, doch mehr Initiative bei der Küchenarbeit zu zeigen. Was damit tatsächlich zu Ausdruck gebracht wird und keinesfalls einen Widerspruch erlaubt, ist, dass Männer einfach so sind: Ein „ganzer Mann“ besitzt andere Vorzüge, ganz egal, was die Werbung uns in ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag vermitteln möchte.
Erst letzte Woche hat der Standard über die Religionszugehörigkeit bei Kindern an Wiens Volksschulen berichtet. Mit 35 % ist der Islam die am stärksten vertretene Glaubensgemeinschaft. Unterschwellig wird klargemacht, dass die konservative Einstellung der Muslime (z. B. gegenüber Frauen) Auswirkung auf die Gesellschaft hat. Ich möchte, dass auch nicht in Abrede stellen. Diese Begebenheit zeigt jedoch, dass tradierte Handlungsmuster nicht unbedingt mit der Religionszughörigkeit zusammenhängen, sondern ganz einfach damit, dass Buben und Mädchen in unserer mitteleuropäischen Gesellschaft noch immer unterschiedlich behandelt werden. Fast möchte man den zuständigen Stadtschulrat ersuchen, Haushaltsführung als Fach für Burschen einzurichten, mit der verpflichtenden Übung „Logistik und Ökonomie von wasserführenden Haushaltshilfen“. Ich bin sicher, dass dies zu mehr angewandter Demokratie in Österreichs Familie führen würde. Stellen wir Simon nun Lisa gegenüber. Sie ist die Enkelin unserer Nachbarn. Nicht einmal noch 1,5 Jahre alt, gerade in der Lage selbstbestimmt herumzulaufen, ist eines ihrer liebsten Spielzeuge der Besen aus Omas Putzkammer. Keinem würde es einfallen, dem keinen Mädchen die Insignien der künftigen Hausarbeit zu entreißen. Das ist auch gar nicht der Punkt. Die Frage ist vielmehr, warum Burschen einen Geschirrspüler gleich einem Objekt aus einer Parallelwelt erst gar nicht sehen.
Was uns zu wichtigen Fragen für das künftige Zusammenleben in der Gesellschaft führt: Dürfen schwule Paare angesichts eines Geschirrspülers künftige um Hilflosen-Zuschuss ansuchen? Haben lesbische Paare einen unfairen Vorteil in der Benutzung desselben und sollten sie dafür Steuer zahlen? Fragen über Fragen. Tatsächlich zeigt die Gender-Dämmerung wenig Licht am Horizont. Erst kürzlich hat der Radiosender Ö3 seine Jugendstudie durchgeführt. Zur Bewerbung derselben wurde landauf, landab ein Jingle mit der Aussage eines jungen Mannes gespielt, der „sich vorstellen kann, die Hälfte der Hausarbeit zu tragen.“ VORSTELLEN. Was benötigt er dazu? Vielleicht eine Gebrauchsanweisung für einen Geschirrspüler zum Ausmalen nach Zahlen? Können Sie sich vorstellen, dass derselbe Mann auf die Frage, ob er im Alter von 40 Jahre noch fußballspielen wird, sagen würde: „Fußball? Ja, das kann ich mir schon vorstellen.“ Im Übrigen zeichnet die Studie das erschreckende Bild einer Jugend, die sich künftig immer mehr in die eigenen vier Wände zurückziehen möchte. Da frage ich mich doch, wie das ohne Kenntnisse zur Bedienung des Geschirrspülers funktionieren soll.
Vielleicht denken Sie gerade, dass mich das alles eigentlich nichts angeht. Nun, ich bin seit knapp drei Monaten Großvater einer entzückenden Enkelin. Natürlich frage ich mich, wie sich wohl ihr Lebensweg gestalten wird. Ich würde ihr gerne Freude am Kochen, und Grundsätze wie Ordnung und Sauberkeit vermitteln. Ja, ich glaube, dass man das noch immer gut gebrauchen kann. Aber nicht um den Preis, dass sie in der Folge auf einen „ganzen Mann“ trifft. Das ist ein Konflikt.
Erst kürzlich bin ich auf folgenden Claim gestoßen, der durchaus zur Lösung des Konflikts beitragen würde:
Ach ja: Wenn Sie jetzt sagen: „Das ist bei mir sicher nicht so!“, dann machen Sie die Probe auf's Exempel: Lassen Sie doch den Filius dem teuren Familienporzellan einen Schongang im Geschirrspüler verpassen. Und bitte keine Ausreden. Nein, Kinder glauben nicht, dass die Geschirrspül-Tabs Frischebonbons sind – die Gefahr ist also überschaubar, speziell dann, wenn es sich um einen 30-jährigen Nesthocker handelt.
Wussten Sie übrigens, dass Lego mit einem eigenen Sortiment 18+ das Kind im Mann adressiert? Für wohlfeile 459,– Euro kann Mann jetzt den Turm aus Herr der Ringe bauen. Küchenutensilien produziert der dänische Konzern nur in typischen Mädchen-Farben schon für 6+. Konflikt-Barometer
Das Konflikt-Barometer ist der nicht wissenschaftliche Versuch einer Bewertung von Konfliktsituationen. Es können je nach Ausprägung bis zu 3 Dynamitstangen bzw. Friedenstauben vergeben werden. So klein die Begebenheit am Geschirrspüler ist, adressiert sie doch einen der großen Konflikte unserer Zeit:
Involvierte Personen: 🧨🧨🧨
Eskalation: 🧨🧨
Relevanz: 🧨🧨🧨
Mögliche Empathie: 🕊️🕊️🕊️
Lösungsoptionen: 🕊️🕊️🕊️
Erzielbarer Kompromiss: 🕊️🕊️🕊️
Der Autor möchte mit dieser Serie die eigene Reflexion in Bezug auf Konflikte, wie sie im Alltag auftauchen, anregen. Er beherrscht die Bedienung eines Geschirrspülers und erlaubt sich nur in der Verarbeitung persönlicher Konflikte Mitteln der Satire.
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