Wer kennt sie nicht, die blutdrucksteigernden und Bauchkrämpfe erzeugenden Emotionen, wie Wut, Ärger, Ungerechtigkeitsempfinden, das Gefühl übergangen worden zu sein, Unterlegenheit usw. Sie alle können im Rahmen eines Konflikts hochkommen. Dabei gerät man oft schneller in einen Konflikt, als einem lieb ist – sei es im Autoverkehr, an der Supermarktkasse, im privaten und ja, auch im beruflichen Umfeld. Haben Sie sich denn nicht auch schon öfter gewüschnt, in einer Konfliktsituation anders reagiert zu haben? Dann können Sie sich freuen. Denn der Umgang mit Konflikten kann erlernt werden. Es handelt sich um eine entwickelbare Kompetenz.
Der Begriff „Konflikt“ leitet sich aus dem Lateinischen „confligere“ ab, was mit „zusammentreffen“ und „kämpfen“ übersetzt werden kann. Heute werden unter dem Begriff „Konflikt“ in erster Linie interpersonelle Situationen verstanden, bei denen mindestens zwei oder mehrere Personen bis zu ganzen Gruppen, Gesellschaften oder sogar Staaten auf Grund unterschiedlicher Interessen, Wertvorstellungen oder Erwartungen in einen Streit geraten. Je nach Dynamik bzw. Konfliktverhalten der Beteiligten und Phase des Konflikts lässt sich dieser lösen oder er eskaliert.
Vorweg gesagt: Nicht jeder Konflikt lässt sich lösen. Leider! Die erste Grundvoraussetzung ist nämlich die Bereitschaft dazu, seitens aller Streitparteien. Diese ist leider nicht immer gegeben. Ist die Konfliktbeilegungsbereitschaft jedoch vorhanden, gibt es zahlreiche Möglichkeiten und Interventionen, die man gegebenenfalls mithilfe einer professionellen Unterstützung, einer/m Mediator*in voll ausschöpfen kann. Damit es aber erst gar nicht so weit kommt, macht es durchaus Sinn, seine eigene Konfliktkompetenz zu entwickeln. Im unternehmerischen Kontext, wo Konflikte hohe Kosten (zum Beispiel: mangelnde Produktivität, Krankenstände bis hin zur Fluktuation) verursachen können, macht es neben der Etablierung einer positiven Konfliktkultur Sinn, die Entwicklung aller Mitarbeitenden in Bezug auf ihre individuelle Konfliktkompetenz voranzutreiben. Denn, „wo gehobelt wird, fallen Späne“ und wo im Team zusammen gearbeitet wird, kommt es auch mal zu unterschiedlichen Auffassungen.
Gut gelöste Konflikte verhindern nicht nur die Entstehung unnötiger, hoher Kosten, sondern können auch der Startschuss für eine gute oder noch bessere Zusammenarbeit sein.
So weit so gut. Doch nun kommt das „Aber“... Oft werde ich gefragt: „Ja, aber, wie weiß ich in meiner Rolle als Geschäftsführer*in, Führungskraft oder Personalmanager*in, ob es in meiner Organisation Konflikte gibt und wie es mit der Konfliktkompetenz meiner Belegschaft aussieht?“ Eine berechtigte Frage, auf die es klare Antworten gibt.
Konflikte als solche identifizieren
Prinzipiell können bestimmte Kennzahlen, wie zum Beispiel die Krankenstandsquote, die Fluktuation oder Umsatzeinbrüche in bestimmten Bereichen bereits ein Hinweis auf Konflikte sein. Darüber hinaus können Konflikte über das Mitarbeiter*innen-Gespräch, sowie regelmäßige anonyme Mitarbeiter*innen-Befragungen und gezielte Exit-Interviews identifiziert werden. Der regelmäßige und gleichzeitig gesamtheitliche Blick auf die unterschiedlichen Indikatoren sind der Schlüssel, um Konflikte in einem frühen Stadium zu erkennen. Werden Veränderungen wahrgenommen, sind diese rasch zu hinterfragen, zu analysieren und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Ein dahinköchelnder Konflikt löst sich meist nicht von selbst, sondern kann einen richtig großen und womöglich irreparablen Schaden anrichten.
Konfliktkompetenz messen
Es gibt zahlreiche Test-Verfahren, mit Hilfe derer das praktizierte Konfliktverhalten ermittelt werden kann. Zum Beispiel mit dem Thomas-Modell (Thomas K. W., Kilmann R. H.: Thomas-Kilmann conflict mode instrument. Tuxedo, New York: XICOM, Inc., 1974.) kann eruiert werden, wie jemand mit Konflikten umgeht. Auch mit Hilfe von gezielten Beobachtungen durch geschulte Personen in der täglichen Praxis oder im Rahmen von Assessment Centers lassen sich Aussagen über das Konfliktverhalten der Mitarbeiter*innen treffen. Besonders empfehlenswert ist allerdings der Einsatz eines softwaregestützten, wissenschaftlich fundierten Kompetenz-Diagnose-Verfahrens, weil es unkompliziert sowie ressourcenschonend ist und die Ergebnisse aussagekräftig, rasch auswertbar und vergleichbar sind. Ein seit mehr als 20 Jahren am Markt etabliertes Verfahren stellt zum Beispiel das Kompetenzdiagnostik-Instrument KODE® dar, das sich nicht nur auf die Diagnostik selbst konzentriert, sondern gleichzeitig gezielte Entwicklungsempfehlungen und –übungen für das Selbststudium mitliefert. Mit Hilfe von KODE® lässt sich die Ausprägung eines ganzen Bündels an Teilkompetenzen (Ist-Stand) in einem einzigen Schritt ermitteln und mit dem gewünschten Soll-Stand und mit den Ausprägungen der Kolleg*innen vergleichen. Konfliktkompetenz darf nämlich nicht als eine von allen anderen Kompetenzen losgelöste Kompetenz betrachtet werden, sondern als Querschnittskompetenz, die mehrere Teilkompetenzen beinhaltet. Welche das konkret sind, erläutere ich weiter unten. An dieser Stelle ist es noch wichtig zu erwähnen, dass eine belegschaftsübergreifende Erhebung der Querschnittskompetenz „Konfliktkompetenz“ einer aussagekräftigen Erhebung der herrschenden bzw. gelebten Konfliktkultur gleich kommt.
Konfliktkompetenz – Was steckt konkret dahinter?
„Konfliktkompetenz bezeichnet Fähigkeiten und die Bereitschaft, mit eigenen Konflikten selbstorganisiert umzugehen.“ (Karl Kreuser, Thomas Robrecht, John Erpenbeck: Konfliktkompetenz. Eine strukturtheoretische Betrachtung. Springer, 2012).
Diese Definition wirft nun selbstverständlich die Frage auf, welche konkreten Fähigkeiten bzw. Kompetenzen es braucht, um Konflikte selbst zu managen. Barbara Kramer und Frauke Ion (2018) erklären in ihrer Publikation „Konflikte klären ist Chefsache“ folgende vier Kompetenzen zu den ausschlaggebenden Konfliktklärungskompetenzen:
Selbstreflexion,
Empathie,
Impulssteuerung und
Metakommunikation.
Saskia-Maria Weh und Claudius Enaux (Kienbaum bei Haufe Band 4024, 2008) erachten in Ihrem Buch „Konfliktmanagement. Konflikte kompetent erkennen und lösen“ die Kompetenzen
Lern- und Veränderungsbereitschaft,
Kooperations- und Einfühlungsvermögen,
Überzeugungskraft und
Kommunikationsfähigkeit
als entscheidend, wenn es um die Behandlung oder Lösung von Konflikten geht.
In Anlehnung an den von Prof. Dr. John Erpenbeck und Prof. Dr. Volker Heyse (Die Kompetenzbiographie. Wege der Kompetenzentwicklung. 2. Aufl. Waxmann, Münster, 2007) in einem mehrstufigen, empirisch basierten Prozess entwickelten Kompetenzatlas mit insgesamt 64 Teilkompetenzen sind folgende Teilkompetenzen im kompetenten Umgang mit Konflikten zu ergänzen:
aus dem Kompetenzbereich Aktivitäts- und Handlungskompetenz die Belastbarkeit,
aus dem Bereich der Fach- und Methodenkompetenz ein gewisses Maß an Beurteilungsvermögen, Sachlichkeit und systematisch methodisches Vorgehen sowie
natürlich die „Konfliktlösungsfähigkeit“ im Kompetenzbereich der sozial-kommunikativen Kompetenzen.
In der folgenden Darstellung werden die genannten Teilkompetenzen den vier Basiskompetenzen des Kompetenzatlasses zugeordnet, woraus sich in weiterer Folge ein Soll-Profil ableiten lässt, welches sich wiederum mittels Software-Unterstützung mit den Ist-Profilen der Belegschaftsmitglieder gegenüberstellen lässt.
Ein darauf basiertes mit KODE® erstelltes Soll-Profil mit gegenübergestellten Ist-Profilen stellt sich wie folgt dar:
Erkennbar sind durch die Gegenüberstellung des Soll-Profiles mit den Ist-Profilen der einzelnen Mitarbeiter*innen, welche Teilkompetenzen individuell zu entwickeln und welche Teilkompetenzen als kollektive Maßnahme zu gestalten sind.
In diesem Beispiel bedeutet das konkret:
Individuelle Entwicklungsmaßnahmen: Beispiel der Person mit dem halbvollen Kreis auf der linken Seite als Symbol: Konfliktlösungsfähigkeit, Verständnisfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsfähigkeit;
Kollektive Entwicklungsmaßnahmen: Das Thema Belastbarkeit sollte als kollektive Entwicklungsmaßnahme angesetzt werden, da die Kompetenzausprägung aller Mitarbeiter*innen links außerhalb oder am linken Bereich des Soll-Korridors liegen.
Konfliktkompetenz gezielt entwickeln.
Kompetenzentwicklung verlangt nach Aneignung eines gewissen Wissenspensums und dem Kennenlernen und Üben bestimmter Methoden, geht aber ganz klar darüber hinaus, und zwar in die Anwendung in der konkreten Praxis. In dieser Praxisstufe des Lernens gelingt die Entwicklung neuer Kompetenzen dann am besten, wenn die Lernenden ein direktes Feedback von Vorgesetzten, Trainer*innen oder direkt von zum Beispiel Kund*innen erhalten.
Für Einzelmaßnahmen steht pro Teilkompetenz ein Kompetenzentwicklungsprogramm mit theoretischen Inputs, konkreten Aufgabenstellungen und Reflexionsfragen, sowie Buchempfehlungen zur individuellen Bearbeitung zur Verfügung. Die Überleitung in die Praxis und die diesbezügliche Lernflankierung empfiehlt sich dennoch zu organisieren bzw. seitens der Führungskraft regelmäßig wahrzunehmen.
Für kollektive Entwicklungsmaßnahmen (in unserem Beispiel wäre das zum Beispiel die Teilkompetenz „Belastbarkeit“) empfiehlt sich eine Abfolge von gemeinsamen Input- und Reflexionsterminen und dazwischen die Absolvierung von echten Praxisaufgaben (Workplace Learning), zum Beispiel die Anwendung von erlernten Praktiken im Rahmen der Erkennung eines Konfliktes zwischen Teammitgliedern oder den Einsatz von deeskalierenden Phrasen im Kundengespräch. Diese werden dann in der Gruppe besprochen, sodass nicht nur auf Basis der eigenen Praxiserfahrung gelernt wird, sondern im Sinne von Social Learning auch voneinander.
Fazit
Konfliktkultur und Konfliktkompetenz lassen sich messen und entwickeln.
Und zum Schluss: Eine Schritt-für-Schritt-Empfehlungen für konfliktfitte Unternehmen
Konfliktkultur in der Unternehmensstrategie verankern, um die Wichtigkeit sichtbar zu verankern
Konfliktkompetenz individuell für die Organisation definieren und kommunizieren
Teilkompetenzen der Konfliktkompetenzen und gewünschte Ausprägungen festlegen (Soll-Profil)
Kompetenzdiagnostik durchführen (Ist-Profile ermitteln)
Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Profilen (Gap-Analyse)
Ableitung von individuellen und kollektiven Entwicklungsmaßnahmen aus der Gap-Analyse
Viel Erfolg!
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